In diesem Buch geht es um eine Frau - Florence Green, die in Hardborough, einem englischen Küstendorf in den späten 1950er Jahren eine Buchhandlung eröffnen möchte. Aber in diesem Buch geht es noch um eine andere Frau und das ist Violet Garmat. Und die Lebenswelten dieser zwei Frauen könnten nicht unterschiedlicher sein und prallen, mehr verborgen als offen ausgetragen, in dieser Geschichte aufeinander.
Florence ist eine sympathische, aber naiv-gutherzige Frau, die dennoch zupackend und schlagfertig und die Dinge durchschauend agiert. Sie ist alleinstehend, weil verwitwet, und hat damit alle gesellschaftlichen Kontakte ihres Mannes verloren. Sie ist schon reiferen Alters und will es dennoch 'noch einmal wissen' in diesem Nest der 1950er Jahre. Doch das heißt nicht, dass sie noch einmal heiraten will ("Sie leben allein, stimmt's? Sie sind gerade ganz allein ins Old House eingezogen? Haben Sie nie daran gedacht, wieder zu heiraten?" S. 29) Aber ihr und diesem Buch gehen es nicht nur um die Bücher oder das Literarische, wie der Titel "Die Buchhandlung" vielleicht vermuten ließe. Es geht um das Vorhaben an sich - eine alleinstehende Frau zieht in ein altes, heruntergekommenes Haus (das zudem von einem Poltergeist beherrscht wird) und lässt sich trotz der natürlichen und gesellschaftlichen Widrigkeiten nicht von ihrem Vorhaben abbringen.
Die gesellschaftliche Widrigkeit in persona: Mrs. Violet Gamart, die ganz im Gegensatz zu Florence nicht allein, nicht alleinstehend leben muss und in gute Seilschaften verwickelt ist und diese machtbewusst einsetzt. Sie will das "Hemmnis" (S.35) - die Buchhandlung der Florence Green - aus dem Weg räumen, um im Old House ein Kulturzentrum einzurichten.
Die Party, zu der Violet Gamart Florence zu Anfang einlädt, dient nicht etwa dazu, um diese in ihre Gesellschaft einzuführen und damit Kundschaft zu verschaffen, sondern um ihr ihre Verhältnisse und Vorstellungen von vornherein deutlich zu machen. Violet Gamart wird nichts unversucht lassen, um ihr Ziel durchzusetzen. Denn sie kennt den "zweiten Mann ihrer Kusine, der irgendwas mit dem Kulturamt zu tun hatte", sie spricht mit "ihrem Vetter zweiten Grades, der sehr bald einen wichtigen Posten im Planungsstab bekleiden würde" und mit ihrem Neffen, der sich "als zielstrebiger Sekretär der Gesellschaft für die Herstellung eines öffentlichen Zugangs zu Stätten von allgemeinem Interesse" (S. 35/36) schon einen Namen gemacht hatte. Und nicht zuletzt wird Florence hier sogar schon bewusst gemacht, wer die Leitung dieses noch gar nicht existierenden Kulturzentrums übernehmen wird!
Wie allein Florence bleibt, zeigt sich auch in ihrer Gehilfin Christine - einem Kind - ein erwachsener Verbündeter hätte ihren Beziehungen zum und im Dorf und damit ihrem Geschäft sicher besser getan. Ein Unterstützer im Dorf ist der ältere und kränkelnde Mr. Brundish - er macht Florence die Gegnerschaft noch einmal deutlich: "Mrs. Gamart ist, wegen ihrer Verbindungen und Bekanntschaften, eine mächtige Frau" (S.102) und Florence "wusste [...] sehr gut, dass hier Einsamkeit zu Einsamkeit sprach..." (S. 104) Mr. Brundish will schließlich seinen Einfluss in einem Gespräch mit Violet Gamart geltend machen und stirbt prompt beim Verlassen deren Hauses.
Anfänglich läuft der Buchverkauf sogar gut, auch die Leihbücherei wird gut angenommen. Doch Mrs. Gamart spinnt im Hintergrund ihre zerstörerischen Fäden ... Im ehemaligen Fischladen wird eine Bibliothek eingerichtet. Dann wird plötzlich ein Gesetz erlassen, das es möglich macht, über einen längeren Zeitraum leerstehende Häuser zu enteignen. Der gute Bekannte von Mrs. Gamart, Milo North, bietet sich als Ersatz für Christine zur Aushilfe an und lässt den Buchverkauf schließlich ganz ausbluten.
Das Ende der Buchhandlung ist damit abzusehen und so endet das Buch auch mit deren Schließung und dem Fortgang von Mrs. Green aus Hardborough.
Ich hatte - nach dem Lesen der Filmkritik - ein Buch über Bücher, über das Atmosphärische einer Buchhandlung und die Liebe zu Büchern und der Literatur erwartet. Und auch wenn mich die Enttäuschung, das nicht in dieser Geschichte gefunden zu haben, durch die erste Hälfte des Buches getragen hat, habe ich trotz der Niederlage der Hauptfigur eine starke Frau gefunden, deren Mut - würde das Buch dreißig, vierzig Jahre später spielen, mit Erfolg belohnt worden wäre. Auch ohne die gesellschaftlichen Voraussetzungen von Heirat oder verwandtschaftlichen Beziehungen.
So wie es Mr. Brundish gegenüber Mrs. Green äußert (S.103): "Ich möchte Ihnen erklären, was ich an Menschen bewundere. Es ist vor allem eine Tugend, die sie mit Göttern und Tieren teilen und die man deshalb nicht als Tugend bezeichnen muss. Ich meine den Mut. Sie, Mrs. Green, besitzen dieses Eigenschaft im Überfluss".
Penelope Fitzgerald "Die Buchhandlung", Insel Verlag Berlin 2014, 5. Auflage 2018, Mit einem Nachwort von David Nicholls, ISBN 978-3-458-36046-9, 165 Seiten
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