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Linn Ullmann "Die Lügnerin"


Prolog

Linn Ullmann hatte mich mit ihrem aktuellen Roman "Die Unruhigen" (siehe Buchkritik vom 14. Juli d. J.) sprachlich, inhaltlich und emotional so begeistert, so dass ich unbedingt zeitnah noch ein weiteres Buch von ihr lesen wollte. Beim Stöbern durch die Zellinger Bücherei bin ich auf "Die Lügnerin" gestoßen, mit der Ullmann 1999 bekannt wurde.

Inhalt

"Die Lügnerin" ist die Geschichte der norwegischen Familie Blom. Sie wird aus Sicht von Karin Blom in der Ich-Perspektive erzählt und umfasst neben Karins eigenem Leben hauptsächlich die Lebensgeschichten ihrer Großeltern, ihrer Eltern, ihrer Schwester und ihres Neffen. Familie Blom lebt in Norwegen, nur in der Lebensphase der Großeltern bis zum Tod des Großvaters Rikard in New York.

Einband zu "Die Lügnerin" von Linn Ullmann - eine Braut
Einband zu "Die Lügnerin" von Linn Ullmann - eine Braut

Meine Kritik

Kapitel 1 erstreckt sich allein über 120 Seiten, fast ein Drittel des Romans, und beschreibt die Hochzeit von Julie Blom, der Schwester Karins, mit Aleksander. Mit der Hochzeit, an der wie sonst überall üblich auch bei den Bloms die gesamte Verwandtschaft zusammenkommt, erhält der Leser einen Überblick über die Familienmitglieder und die Familiengeschichte. Dabei ist die Ich-Perspektive und damit die Beschreibung aller und von allem durch die Augen von Karin Blom für mich das größte Hindernis, inhaltlich und vor allem auch emotional in die Geschichte zu finden - und das ändert sich für mich nicht fast bis zum Ende des Buches, denn Karin Blom ist einfach … unsympathisch

 

Woran liegt das?

  • Eine Zwanzigjährige (!), die desillusioniert an der Hochzeit ihrer Schwester teilnimmt, weil ihr jegliche Hoffnung fehlt, dass das, was da zwischen zwei Menschen passiert, gelingen könnte.
  • Eine junge Frau, die penetrant und abgebrüht versucht, Männer zu verführen, egal ob verheiratet oder sonst irgendwie gebunden, und sich an sie "ranmacht" mit allen Mitteln.
  • Eine Schwester, eine Tochter, eine Enkeltochter, die übertreibt und flunkert, die frühzeitig in Kindesjahren gelernt hat, dass Lügen einträglicher sind und mit weniger Aufwand verbunden als die Wahrheit...

Und doch...

… doch bin ich froh, den Roman zu Ende gelesen zu haben. Denn das letzte Kapitel ist Karins achtjährigem Neffen Sander gewidmet. Und ich will niemandem, der sich entschließen sollte, das Buch zu lesen, hier schon zu viel verraten, aber allein für dieses letzte Kapitel lohnt es sich durchzuhalten, falls man wie ich den Rest des Buches nicht mag. Hier wird Ullmann in ihrem Erzählstil so wahrhaftig wie bei den "Unruhigen". In all ihrer Distanziertheit kommt hier die Ich-Erzählerin Karin endlich, endlich ganz nah an ihren Verwandten, ihren kleinen Neffen heran und keinerlei Abgebrühtheit, keine Ironie, keine Überheblichkeit sind ihr da mehr im Wege. Dieses Kapitel berührt einfach und wir lesen, was dem kleinen Sander in diesen jungen Stunden seines Lebens widerfährt, obwohl nichts davon explizit beschrieben steht.

Also,

lieber Leser meiner Kritik. Dieses Buch erhält von mir drei von fünf Miezen. Das klingt tatsächlich immer wenig, aber das ist in meiner Kategorisierung immer noch lesenswert, so zwiespältig das Buch mich auch gelassen hat. Es zeigt auch, wie einschränkend so eine Wertesystem von null, eins, zwei, drei, vier oder fünf Miezen sein kann. Also bitte auch immer die gesamte Kritik lesen. 

 

Danke, Eure Buchstabenmieze.

Linn Ullmann, Die Lügnerin, Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München, Vollständige Taschenbuchausgaben 2000, 378 Seiten 


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