Deutscher Buchhandlungspreis
Wie den Deutschen Buchpreis gibt es auch den Deutschen Buchhandlungspreis. In 2018 waren aus Würzburg sogar gleich zwei Buchhandlungen nominiert, und zwar die "Buchhandlung dreizehneinhalb" und die "Akademische Buchhandlung Knodt". In diesem Zusammenhang wurden beide in der MainPost vorgestellt, dabei gaben sie jeweils eine Buchempfehlung ab - so bin ich auf den "Kraft" gekommen, durch Frau Rottmann von "13 1/2" empfohlen.
Der Inhalt
Richard Kraft ist Professor für Rhetorik an der Universität Tübingen, verheiratet mit Heike in zweiter Ehe, Vater von Zwillingsmädchen, und von zwei Söhnen aus erster Ehe. Aber irgendwie ist der Wurm drin... auch in seiner zweiten Ehe, überdies finanziell gebeutelt, die Freundschaft zu István angeschlagen, und seine liberalen Ideen sieht er auch den Bach runtergehen... Da kommt ihm die Teilnahme an einem Ideenwettbewerb eines amerikanischen Milliardärs unter dem Thema "Whatever is is right und why we still can improve it" gerade recht - eingeladen auf Initiative seines alten Freundes, der sich nun Ivan nennt - Gelegenheit also, nach Stanford zu reisen, Abstand und eine Million Dollar zu gewinnen und damit vielleicht wieder seine Unabhängigkeit?
Meine Kritik
Zugegeben, das ist nicht unbedingt ein Buch, das man 'auf den ersten Blick' mag. Die Satzlängen! Die muss man erst mal überwinden - Wahnsinn, halb- und ganzseitige Sätze bremsen den Lesefluss immer wieder aus. So schon auf den ersten Seiten (18/19), das hält an durch das gesamte Buch - mit einem Höhepunkt auf den Seiten 140 und 141, ein Satz erstreckt sich über zwei Buchseiten!
Aber so muss es in Richard Krafts Kopf zugehen! Und so lohnt es nichtsdestotrotz, sich auf die Geschichte einzulassen... Denn der Erzählstil passt zweifellos zur Hauptfigur: Kraft ist ein Schwafler, einer, der in Blasen redet, geschwollen, teils überheblich, aber immer wieder auch sich selbst auf die Schippe nehmend - dabei sympathisch, doch auch nervig. Einer, der mitten in der ausgeprägtesten Midlife-Crisis steckt und sich fragen muss: Wo bin ich? Was bin ich? Wer bin ich? Was habe ich erreicht? - und bei aller hoch gestochenen Schwafelei spät, zu spät merkt, wie sehr er die Haftung zu seinen Leuten und zu seinem Leben verloren hat.
Krafts Geschichte ist eine über eine verlorene Freundschaft, über verpasste Lieben, ist politische Geschichte ausschweifend, aber unterhaltsam erzählt, ist Konfrontation mit einer modernen digitalen Macht und mit einem 'modernen' Menschen - Kraft, das ist die Suche nach der Antwort auf die Frage "Ist alles gut, was ist?", die sich jeder Leser anhand des Menschen Kraft selbst geben muss...
Immer wieder wechselt Lüscher in den auktorialen Erzählmodus und zieht den Leser halb belustigt auf seine Seite, 'unser Kraft' sinniert er dann, und hat Spaß, seine Figur kämpfen und leiden zu sehen. So gelingt es Lüscher, Kraft in seinen Lebensrückblicken durchaus kraftvoll erscheinen zu lassen, aber die Blase platzt immer wieder und das in der Vergangenheit Großgemachte fällt in sich zusammen und wird kraftlos.
Mein Fazit: "Er wusste, das nichts einfach war, nie" (S.112) und: "Aber es soll ihm keiner nachsagen, dass er es nicht versucht hat." (S. 64)
Jonas Lüscher, Kraft, Verlag C.H.Beck oHG, München 2017, 2. Auflage 2017, 233 Seiten, ISBN 978 3 406 70531 1
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