Leseanlass
Short version: „Das Weingut“ (und die dazugehörigen Bände 2 und 3) mit dem bedeutungsschweren Untertitel „In stürmischen Zeiten“ ist ein Geburtstagsgeschenk meiner Freundin Jana.
Long version: 50 Lebensjahre sind 50 Jahre Freundschaft. Mit meiner Namensvetterin Jana verbinden mich fünfzig Jahre Freundschaft – denn unsere Mütter haben sich quasi im Meißener Krankenhaus vor fünfzig Jahren „getroffen“, festgestellt, dass, falls das Kind jeweils ein Mädchen wird, beide Jana heißen würden (… das Kindsgeschlecht wusste man damals noch nicht im Voraus 😉) – und sie haben es trotz der Namensgleichheit bei Jana belassen. Es wurden also zwei Janas mit 18 Tagen Unterschied geboren – damit war sozusagen der Grundstein für unsere Freundschaft gelegt – über Krippe und Kindergarten, Schule, Ausbildung, Erwachsenwerden und allen wirren und schönen Seiten des Erwachsenseins (seufz) hält die Freundschaft bis heute. Danke, Jana!
Inhalt
Schauplatz des Romans ist das Elsass in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Hier an der deutsch-französischen Grenze befindet sich auf der deutschen Seite das Weingut und auf der französischen der Weinhandel der Brüder Gerban und ihrer Familien. In den Haushalt des Weinhändlers Wilhelm Gerban kommt als junge Waise Irene in die Stellung eines Dienstmädchens. Der Sohn des Hauses Franz und Irene verlieben sich über die Standesgrenzen hinweg, doch das bleibt nicht das einzige Hindernis unter anderen in ihrer Beziehung, ein entscheidender ist auch der Beginn des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71…
Miezekritik
Stellt euch vor, Ihr seid leidenschaftliche Weinliebhaberin wie ich und Tochter bzw. Kind eines Vaters, der lebenslang dem Wein in allen Nuancen praktischer und theoretischer Art gefrönt hat. An und hinter Eurem Elternhaus befindet sich ein terrassierter, kleiner, aber feiner Weinberg mit unzähligen unbekannten und bekannten Rebsorten. Ihr seid aufgewachsen in einer Landschaft geprägt vom Wein und - mehr oder weniger aktiv – vertraut mit den Tätigkeiten wie Rebschnitt, Schädlingsbekämpfung, Laubarbeiten, Lese, Traubenverarbeitung usw. usw. Ihr kennt mithin die Veränderungen im Weinberg während eines Weinjahres, und schließlich noch als Krönung 😉 dürft ihr die leckeren (wirklich leckeren) Tafeltrauben aus dem eigenen heimischen sächsischen Weinberg und natürlich nicht zu vergessen das Endprodukt im Weinglase probieren und verkosten.
Parallel und kreuzweise dazu lest ihr leidenschaftlich gerne (ob dieser Bloggerseite bekannt). Ein Roman mit dem Titel „Das Weingut“ ist somit ein Lese-Muss.
Hier kommt also meine Kritik dazu -
Leider, leider ist das, was mein Kopf und mein Weinherz sich vorher ausgemalt haben, nicht eingetreten: Das Buch handelt eher nur marginal von der oben beschriebenen Pflicht und Kür eines Winzers, am ehesten noch in den ersten hundert Seiten, wo ich noch hoffen durfte, dass der Titel hält, was er verspricht. Die Geschichte spielt paradoxerweise hauptsächlich nicht im Weingut, sondern im Haus des Weinhändlers, schade.
Mit Beginn des Deutsch-Französischen Krieges begleitet die Geschichte über lange Strecken den Hauptprotagonisten Franz – da dieser in den Krieg zieht, muss der Leser sich lang und breit über Kriegsgeschehen, Schlachten, Bergung und Versorgung von Verwundeten und Wunden etc. aufklären lassen. Anfangs vielleicht mal interessant, aber irgendwann ist man es leid, wer’s mag, ich nicht.
Weiterhin sind da viele, viele, auch unnütze Details, die die Seiten füllen, die mich aber als Leser nicht interessieren, die viel erklären sollen, aber das muss es ja nicht: Der Leserkopf will selbst fantasieren. Als Beispiel sei hier Seite 384 genannt, wo Franz über mehrere Absätze auf einem Kriegsmarsch rückblickend sinniert, wie und warum er ersatzweise zu seinen Stiefeln gekommen ist. Zudem verwendet die Autorin - milde ausgedrückt – immer wieder „abgenutzte“ Herz-Schmerz-Floskeln wie „Irene schlug das Herz bis zum Hals…“ oder „… zitterten deren Hände wie Espenlaub.“ (S. 367)
Nun ja, nichtsdestotrotz werde ich – mit Pause und mit Anlauf – auch Band 2 und sicher auch Band 3 lesen. Warum? Erstens will ich wissen, wie es weitergeht, zweitens ist da eine Figur, die ambivalenter und nicht so glatt und vorhersehbar dargestellt ist wie andere: Pauline, Franz‘ Mutter. Dazu mehr in Rezension zu Band 2. Und vielleicht, vielleicht kommt ja doch noch ein bisschen mehr Weinseligkeit in die Geschichte, wer weiß!
Marie Lacrosse, Das Weingut, In stürmischen Zeiten, Wilhelm Goldmann Verlag, München 2018, 4. Auflage, 669 Seiten, ISBN 978-3-442-20554-7
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Jana (Donnerstag, 16 Januar 2020 13:53)
Einfach schööön. Wie du das alles erklärt hast......Hab dich lieb !!!! Deine Freundin Jana