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Isabell Allende "Dieser weite Weg"


Inhalt

Spanischer Bürgerkrieg. Víktor Dalmau, angehender Mediziner, heiratet seine schwangere Schwägerin Roser, da sein Bruder Guillem als gefallen gilt, damit er mit ihr gemeinsam mit der „Winnipeg“, einem vom chilenischen Botschafter und Dichter Pablo Neruda organisiertes Flüchtlingsschiff, über den Atlantik nach Chile reisen darf. 

 

Die Geschichte spannt einen weiten Bogen, beginnt 1938 und begleitet die Dalmaus auf ihrem Weg nach Chile, wir erleben sie beim Aufbau eines neuen Lebens dort und dessen erneuten Zusammenbruch aufgrund politischer Umbrüche in Chile (u. a. Regierung Allende 1970-1973 mit anschließender Pinochet-Diktatur) bis hin ins Jahr 1994. 


Mieze-Kritik zu Isabell Allende "Dieser weite Weg"

Isabell Allende ist eine Autorin, die mich in meinen jungen Jahren (das war schon in den 1980ern, seufz), mit Büchern wie „Das Geisterhaus“ und „Von Liebe und Schatten“ begeistert hat. Zu ihren Romanen, die danach von ihr erschienen, habe ich keinen Zugang mehr gefunden. Nun stand ich kürzlich in einem bekannten Schreibwarenladen in Karlstadt in der Hauptstraße und wollte mir unbedingt, auch Corona-unterstützend :-),  ein Buch kaufen, die Auswahl war eher mittelprächtig und so entschied ich mich, okay, für „Dieser weite Weg“ von Isabell Allende. Lese ich sie wieder halt mal!

 

Etwas demotiviert begann ich auch so nebenbei dieses Buch zu lesen und las auf den ersten Seiten, wie Víktor Dalmau, Sanitäter im spanischen Bürgerkrieg mit drei Jahren Medizinstudium, vor einem jungen Soldaten steht und ihm in die offene verwundete Brust greift, um sein Herz wieder zum Leben zu massieren: „Von allen Erinnerungen an den Krieg sollte das seine klarste und hartnäckigste bleiben: dieses fünfzehn, vielleicht sechzehn Jahre alte Kind, noch bartlos, verdreckt von der Schlacht, schmutzig von geronnenem Blut, vor ihm auf einer Strohmatte, mit seinem Herz im Freien. Er konnte sich nie erklären, warum er drei Finger der rechten Hand in die grausige Wunde steckte, das Herz umfasste und rhythmisch, völlig ruhig und selbstverständlich einige Male zudrückte, ob dreißig Sekunden oder eine Ewigkeit, er wusste es nicht. Doch dann spürte er, wie das Herz zwischen seinen Fingern zum Leben erwachte, erst kaum merklich bebte und gleich darauf entschlossen und gleichmäßig schlug.“ (S.13)

 

So, da hatte mich die Allende also wieder. Ich weiß nicht, was zwischendurch mit ihren Büchern oder mit mir als (ihre) Leserin los war, aber dieser jüngste Roman, der im September 2019 erschien, ist grandios geschrieben. Isabell Allende kann einfach schreiben, man spürt beim Lesen, dass sie eine erfahrene Schreiberin ist - voller Empathie für ihre Hauptfiguren, für das, was sie durchmachen, dabei überhaupt nicht kitschig, eher pragmatisch aufzeigend und registrierend, sie verständnisvoll begleitend, nicht dozierend und mit leisem angenehmen Humor.

 

Da erfährt man - fast nebenbei - ganz viel über spanische und dann noch mehr chilenische Historie des genannten Zeitraumes, über spanische Flüchtlinge nach Francos Sieg, über die Winnipeg, das Schiff, das mehrere tausende von ihnen nach Chile rettete, und da steckt auch noch ein Denkmal drin für Pablo Neruda, den Literaturnobelpreisträger von 1971…

 

Und zu allem dazu eine sich ungewöhnlich entwickelnde Liebesgeschichte.

 

Was will man, was will ich mehr. 


Isabell Allende, Dieser weite Weg, Aus dem Spanischen von Svenja Becker, Suhrkamp Verlag, Erste Auflage 2019, 382 Seiten, ISBN 978 3 518 42880 1

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