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Rainer Moritz "Fräulein Schneider und das Weihnachtsturnier"


Nun, es erscheint sicherlich etwas wunderlich, ein so offensichtliches Weihnachtsbuch außerhalb der Advents- und Weihnachtszeit zu lesen. Jedoch kam dieser schmale Band mit nur 125 Seiten erst kurz vor dem einen Monat zurückliegenden Feste in mein Lese-Blickfeld, und zwar durch eine Online-Empfehlung des Hamburger Abendblattes. 

 

Aber: eine gute jahreszeitlich gebundene Geschichte sollte ihren Zauber auch außerhalb davon entfalten können, oder?


Darum geht's... ich präsentiere die Hauptfiguren:

Fräulein Schneider: Pensionierte Buchhalterin, Mitte 60, mit einer resoluten Autorität. Legendärer Ruf, ja von grollend-hämischen Ausbrüchen ist die Rede, wenn ihr jemand in der Firma querkam. In Auftreten und Erscheinung einer bekannten englischen Schauspielerin ähnelnd und gleichzeitig mit einem kriminalistischen Spürsinn für fehlerhafte Rechnungen gesegnet: deswegen auch respekt- und würdevoll von den Kollegen Miss Marple genannt. Autokennerin, Besitzerin eines Käfer Cabrio 1303 mit Weißwandreifen, fußballaffin, alleinstehend, aus dem Schwäbischen stammend, mit einer Frisur – die, der Beschreibung nach an jene von Boris Johnson erinnert 😊 - - - und 

 

Konrad: Zehnjähriger Sohn von Eberhard Geiger, der Miss Marple, Entschuldigung! - Fräulein Elfriede Schneider, aufgrund ihrer hervorragenden buchhalterischen Kenntnisse respektierte und als Arbeitskollegin sehr schätzte. Konrad wird also an Heiligabend von seinem Vater zu Fräulein Schneider geschickt, um der alleinstehenden Dame fröhliche Weihnachten zu wünschen und ein paar Geschenke zu überbringen.


... bzw. Zitat Fräulein Schneider: Es ist nie zu spät. (S. 116)

Rainer Moritz "Fräulein Schneider und das Weihnachtsturnier" Foto: J. Hebig
Rainer Moritz "Fräulein Schneider und das Weihnachtsturnier" Foto: J. Hebig

So merkwürdig allein schon aufgrund des Altersunterschiedes die personelle Konstellation, so gestellt-gewollt von Konrads Eltern die Kontaktaufnahme zwischen den beiden: Fräulein Schneider und Konrad finden Gefallen aneinander.

 

Und das liegt einmal an Fräulein Schneiders Erscheinung: ihr Aussehen, ihr Benehmen und Verhalten, ihre Sprache, alles so ganz und gar „unomahaft“, findet Konrad. Fräulein Schneider schätzt an Konrad die unverhofft frische Präsenz, aber und vor allem teilen sie eine Leidenschaft, denn sie brennen beide für F U S S B A L L.

 

Insbesondere kramt Fräulein Schneider in ihrem Herzen die alte Liebe zum Tipp-Kick-Spielen (im Video ein Einblick!) aus (und dahinter liegt ihre eigentliche große Liebe – Roland - versteckt).

 

Fulminanter Höhepunkt ihres über fast ein Jahr andauernden gemeinsamen Spielens und Trainierens ist die Organisation eines Tipp-Kick-Weihnachtsturnieres, das mit Unterstützung des Pfarrers und der ganzen Gemeinde und unter Einbeziehung lokaler Prominenz so weite Kreise zieht, dass schließlich das Turnier von dem frisch gebackenen Weltmeister Jürgen Klinsmann höchstpersönlich angepfiffen wird…

 

Schade, dass Weihnachten schon passé ist (wieder Zitat Fräulein Schneider). Dieses Büchlein hat es wirklich verdient, gelesen zu werden. Ich hoffe, Ihr wartet nicht damit bis Weihnachten. Und wenn Ihr es nicht gleich lest, schreibt es wenigstens auf Eure Adventswunschleseliste. 

 

Denn Rainer Moritz gelingt es, mit einem über den Dingen stehenden spitz-warmen Ton seine beiden Hauptfiguren überzeugend ins rechte menschelnde Licht zu rücken und fordert insgeheim auf, hinter die Fassaden zu schauen. Nach Herrn Rudi ist eine neue Liebe entfacht, die zu Fräulein Schneider.


Rainer Moritz, Fräulein Schneider und das Weihnachtsturnier, edition chrismon in der Evangelischen Verlagsanstalt, Leipzig 2020, 125 Seiten, ISBN 978 3 96038 269 0

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