Mieze-Kritik zu "Heute beißen die Fische nicht" oder: eine Liebesgeschichte in Moll
So kann also auch eine Liebesgeschichte gehen. Und zwar die von Emma und Joel.
Emma ist die abenteuerliche, weltreisende und in Krisengebieten erfahrene Fotojournalistin. Eine Weltverbesserin. Joel ist der bodenständige Lehrer, der an einer heimischen finnischen Schule unterrichtet. Ein Ökofreak. Wir lernen sie kennen, als sie den Sommer gemeinsam mit ihrer Adoptivtochter Fanni auf einer Schäreninsel verbringen, die dem Großvater gehört…
Emma und Joel, jeder erzählt separat und abwechselnd vom Jetzt und von der Vergangenheit. Zwischen ihren Erzählungen eingestreut sind Sequenzen zwischen dem Großvater und Fanni, kleine beglückende Intervalle fast lyrischen, poetischen, aber durchaus auch teils plakativen Charakters.
Die separierten, getrennten Perspektiven von Emma und Joel – gewollt, denn die Stimmung in der Familie ist gedrückt, ja depressiv. Er ist mehr ein Nebeneinander denn ein Miteinander – dieser Sommer. Nein, diese Liebesgeschichte ist keine offensichtliche. Denn Emma ist gefangen in ihrem Kopf. Schuld ist eine Kopfverletzung, woher sie stammt, erfahre ich spät im Roman, aber die Ahnung beim Lesen geht in diese Richtung…
Schuld an dieser Stimmung ist aber nicht nur die Kopfverletzung, sind nicht nur die Kopfschmerzen, denn Emma plagen auch Halluzinationen, Geister, Bilder von vergangenen beruflichen Erlebnissen, von Menschen, die sie verloren hat oder verloren geben musste, die sie gekannt oder nicht gekannt hat…
Schuld an dieser Stimmung liegt auch in den die Liebe überdeckenden Gegensätzen: die Freiheit der Einen in Kombination mit den Prinzipien des Anderen.
Schuld liegt auch im Unausgesprochenen, denn: Warum entscheiden wir uns für das Schweigen?
Die Stimmung in „Heute beißen die Fische nicht“ ist ganz und gar nebulös schwer, und so sehr ich mir eine Prise Humor und Leichtigkeit herbeiwünsche, weiß ich beim Lesen – einsichtig -, dass sie angesichts der familiären und persönlichen Situation der Figuren nicht möglich ist.
Umso mehr realisiere ich, wie hervorragend und konsequent diese Geschichte umgesetzt ist, wie vielschichtig die Autorin die Situation, in der Emma und Joel und Fanni stecken, begreift, und bin umso mehr am Ende froh, dass es eine Hoffnung aufzeigt.
Sie hat ein bisschen, ein kleines bisschen was von einem Happy End.
Was bin ich froh.
Ina Westman, geboren 1974, ist Schriftstellerin, renommierte Bloggerin und Kommunikationsmanagerin in der Verlagsbranche in Helsinki. Wenn sie nicht gerade Zeit in ihrem Sommerhaus auf einer Insel des Schärengartens verbringt, lebt Westman mit ihrer Familie in der finnischen Hauptstadt. (Klappentext)
Ina Westman, Heute beißen die Fische nicht, Aus dem Finnischen übersetzt von Stefan Moster, mareverlag, 1. Auflage, Hamburg 2021, ISBN 978 3 86648 645 4
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