Katja Oskamp, geboren 1970 in Leipzig, entführt uns ins Marzahner Milljöö, in die Platte, nach Berlin und konkret in die unterste Etage eines 18stöckigen Plattenbaus, wo sich das Kosmetikstudio von Tiffy befindet. Hier arbeitet Katja Oskamp als Fußpflegerin, behandelt die Fußwehwehchen ihrer Patient*innen und erfährt so allerlei nebenbei. Das Besondere: Frau Oskamp ist Schriftstellerin, aber in letzter Zeit lief es eher mittelprächtig mit der Schreiberei und deswegen hat sie in der Mitte ihres Lebens noch einmal umgeschult – auf Fußpflegerin.
Aber vielleicht konzentriert sich manchmal die Schönheit dieser Welt auf einem einzigen Fingernagel. (S. 72)
Vielen Dank, Frau Oskamp, dass Sie diesen – scheinbaren - Bruch gewagt haben.
Es gibt viele, die jahrelang in der schicken Stadtwohnung wohnen und dann plötzlich (mit gut gefülltem Konto) auf den Bauernhof aufs Land ziehen, viele, die vom Büro- oder Bankangestellten zum vielleicht Biobauern mutieren… und dann für ihren Mut zur großen Veränderung bewundert werden…
Aber von der Schriftstellerin zur Fußpflegerin? Von einer sauberen kopflastigen zu einer zum Teil auch als eklig empfundenen Tätigkeit?
Wir hauen noch eine Schicht Glitzer drüber. (S.112)
Liebe Frau Oskamp! Jedes Ihrer Kapitel ist besonders, weil: Jeder oder jede darin beschrieben ist besonders, auf jeden oder jede haben Sie eine Schicht Glitzer geworfen. Selbst den Kunden oder die Kundin, die sie nicht sooo mögen, packen sie in einen wattierten Blick aus Humor, Respekt und Wertschätzung.
Danke für die fußseits 😊 und schriftlich festgehaltenen Denkmäler für Frau Guse, Herrn Paulke, Frau Blumeier, Herrn Pietsch, für die Russin, für Frau Frenzel, für Herrn Hübner, für Erwin Fritzsche, für Mutter und Tochter Noll, für Fritz, Frau Janusch, Peggy und Mirko Engelmann, für Nele, Isabell und Natalie (die pubertierenden Töchter von Schriftstellerinnen), für Gerlinde Bonkat, für die Eheleute Huth und natürlich für ihre Kolleginnen Tiffy und Flocke.
So liegen für mich zwei besondere Verdienste um dieses Büchlein:
Sie, Frau Oskamp, lenken die Aufmerksamkeit auf die, ich will nicht sagen kleinen Leutchen, aber auf die, die gewöhnlich ungesehen bleiben, und deren Lebensgeschichten.
Und zum anderen rücken Sie einen Beruf (wie es so viele andere auch gibt) ins Licht mit leider wenig gesellschaftlicher Anerkennung und damit Status, und geben ihm eine Wertigkeit, die ihm und denen, die ihn ausüben, zusteht.
Katja Oskamp, Marzahn mon amour - Geschichten einer Fußpflegerin, Suhrkamp Taschenbuch Verlag, Erste Auflage 2021, 143 Seiten, ISBN 978 3 518 47131 9
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