Klaus Manns (1906 bis 1949) Name und Person benötigen nicht viele Erklärungen.
Spätestens seit der Verfilmung seines Romans „Mephisto“ 1981 durch István Szabó und mit Klaus Maria Brandauer in der Hauptrolle dürften er und sein Werk auch in der Moderne angekommen sein. Aus den mir vier vorliegenden älteren Ausgaben „Mephisto“, einem Erzählband und „Treffpunkt im Unendlichen“ habe ich mich für den eher unbekannteren Roman „Flucht in den Norden“ entschieden. Ich glaubte an ein Rereading, musste aber beim fortschreitenden Lesen feststellen, dass ich damals das Buch wohl abgebrochen habe. Ein ungutes Zeichen?
Worum geht es?
Johanna, eine junge deutsche Kommunistin, flieht Anfang der 1930er Jahre ins Exil zu Karin nach Finnland und findet dort Unterschlupf auf dem Familiengut der Freundin. Auch wenn zur Freundin zarte Gefühle bestehen, verliebt sie sich ganz und gar in deren Bruder Ragnar.
In der Familie von Karin und Ragnar gibt es auch belastende Geheimnisse. Der briefliche Kontakt zu den Genossen, die sich in Paris aufhalten, darunter Johannas Freund Bruno und ihr Bruder Georg, erinnert sie immer wieder daran, dass der Aufenthalt in Finnland nur von kurzer Dauer geplant war. Diesen Gedanken versucht sie aber zu verdrängen…
Mieze-Meinung zu Klaus Mann „Flucht in den Norden“ oder: Wer weiß heute genau, wo er morgen sein wird? (S. 156)
Ja, ich muss zugeben, dieser Roman hat auf mich irgendwie beim Lesen mehr und mehr eine außergewöhnliche Faszination entwickelt.
Dabei trifft eine derartige Aneinanderreihung der verschiedensten, sich immer weiter steigernden Adjektive zur Beschreibung der Figuren und des Settings eigentlich nicht meinen Lesegeschmack. Jedoch ist Klaus Mann ist ein sehr, sehr präziser Beobachter und prägnanter Erzähler. Und es wirkte:
Die überbordenden Beschreibungen passen zu dem Sog und dem Rausch, den das Land und die (wenigen) Bewohner auf Johanna ausüben und passen dazu, wie sie sich in der Stille und in der Einsamkeit dieser Landschaft mit den endlosen Wäldern und den tiefen schwarzen Seen, mit den über lange Strecken unbewohnten Abschnitten, mit den irre machenden hellen Nächten und dem Nordlicht verliert. Sie haben bei mir schließlich auch ein großes Interesse an dieser Landschaft ausgelöst.
Johannas Liebe zu Ragnar, dem grummeligen, eigenwilligen Gutsbesitzer, entwickelt eine derartige Tiefe, dass ihr Gewissen gegenüber den zurückgelassenen, politischen Freunden immer kleiner wird. Die erste sexuelle Vereinigung der beiden gleicht denn auch einer Zeremonie, die von Mann über mehr als zwei Seiten euphorisch dargestellt wird. Ragnar und sie fliehen schließlich in den nördlichsten Norden Finnlands, immer weiter weg von der Familie Ragnars, immer weiter weg von den Geschehnissen in der Mitte Europas und in Deutschland.
Langsam beginnt man jedoch als Leser*in zu erahnen, dass Flucht in Landschaft und Liebe für Johanna nicht endgültig sein wird.
Immer wieder melden sich die Gedanken und Gewissensbisse - Ausdruck ihrer Verbundenheit zur Heimat und der Verpflichtung, gegenüber den Entwicklungen in Nazideutschland Stellung zu nehmen. Diese geht jedoch nicht konform mit der Einstellung Ragnars, der zwar die dortigen Geschehnisse verachtet, aber persönliche Konsequenzen für sich oder auch für Johanna verständnislos gegenübersteht…
Das Ende gefällt mir nun wieder so gar nicht, denn Klaus Mann geht in die direkte sentimentale Ansprache von Johanna und Ragnar: Aber du hast keine Wahl, Johanna, … Sei fromm und stark… (S.242), was mich nun doch noch zu einem Mieze-Punktabzug bewegt.
Ach, Johanna und Ragnar (dto.)
Klaus Mann, Flucht in den Norden, Mit einem Nachwort von Martin Gregor-Dellin, Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, 59. -61. Tausend Januar 1993, 251 Seiten, 990-ISBN 3 499 14858 7
Kommentar schreiben