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Brigitte Reimann und Christa Wolf "Sei gegrüßt und lebe"


Ich bin so froh, noch einmal zu diesem Buch gegriffen zu haben! In jungen Jahren schon einmal gelesen hat mir die erneute Lektüre – trotz der traurigen Passagen – sehr gefallen!

 

Wer schreibt heutzutage schon noch Briefe, mit der Hand oder meinetwegen auch am Computer, tütelt sie ein und verschickt sie dann? Ist noch jemand da draußen, der dies tut? Ist Emails schreiben ein Ersatz, ein Äquivalent zum Briefeschreiben? Nein!

 

Und was für ein erzählerischer Schatz sie sein können, zeigt der Briefwechsel zwischen den Schriftstellerinnen Brigitte Reimann (1933-1974) und Christa Wolf (1929-2011) von 1964 bis 1973. 

 

Sie zeugen von einer tiefen Freundschaft und herzlichen Zuneigung trotz oder vielleicht auch gerade wegen der Gegensätze im Charakter und in der Lebensgestaltung der beiden Frauen, worin das Geschriebene natürlich immer wieder Einblicke gibt: Christa Wolfs „geordnetes“ Leben mit Ehemann Gerhard und den Töchtern Annette und Tinka und Brigitte Reimanns wechselnde Beziehungen – sie war viermal verheiratet. 


„In Berlin steht man zur Zeit an nach: Äpfeln, Knautschlacktaschen, Karten zum „Faust“. (S. 106)

Das Schreiben an sich und alles damit Einhergehende ist natürlich ein großes verbindendes Besprechungsfeld. In den ersten Briefen erfährt man von der Bewunderung Reimanns für Wolf, dieses Schreiben-Können spricht sie sich selbst ab. Obwohl sie noch vor Wolf erfolgreich veröffentlicht hat, ist sie vielmehr von Zweifeln geplagt als Wolf. Immer wieder werden die Treffen der Schriftstellerverbände und Vorstandssitzungen angesprochen, verschiedene Schriftstellerkolleg*innen erwähnt, gegen manche auch spitzzüngig gelästert. Leseempfehlungen werden ausgetauscht und auch Bücher hin- und hergeschickt.

 

Genauso erhält man eine Ahnung von DDR-relevanten Aspekten: Versorgungslage (im speziellen auch der Zugang zu Büchern), Schwierigkeiten bei Veröffentlichungen (z. B. bei Wolfs „Christa T.“) der staatliche Umgang mit kritischen Meinungen und daraus folgende Denunzierungen, Auslandserfahrungen von Christa Wolf…


„… in so einen gebrochenen Körper eingesperrt zu sein …“ (S. 60)

Das immer dominantere Thema wird die Krebserkrankung Brigitte Reimanns.

 

Ich kämpfe und leide mit ihr, sie muss unter unsäglichen Schmerzen gelitten haben. Und wie sie kämpft und dabei  lebt und schreibt, meinen nachträglichen Respekt.  Es ist rührend, wie Christa Wolf andererseits versucht, ihre Freundin aufzubauen, wie sie nach den rechten, angemessenen Worten sucht (und auch findet), wie sie bemüht ist, Optimismus, Humor und Zuversicht hineinzulegen und dennoch die Sorge durchscheint.

 

„Sei gegrüßt und lebe“ hat mich auch wieder darauf verwiesen, wie authentisch und damit ungemein bereichernd das Lesen von Briefwechseln ist.

 

Großartig von beiden Seiten und im Gesamten!


Brigitte Reimann, Christa Wolf "Sei gegrüßt und lebe", Eine Freundschaft in Briefen, 1964-1973, Aufbau-Verlag, 3. Auflage 1993, 190 Seiten, ISBN 3 351 02226 3

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