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Håkan Nesser "Elf Tage in Berlin"


Nach langer Zeit nun wieder einmal ein Håkan Nesser. Gelesen habe ich bereits zwei Romane von ihm: „Der Choreograph“ und „Die Perspektive des Gärtners“. Beide Bücher habe ich sehr gemocht, beide Bücher waren keine typischen Krimis, die man wohl am ehesten mit Nesser verbindet.


Worum geht es nun in „Elf Tage in Berlin“?

Håkan Nesser "Elf Tage in Berlin"
Håkan Nesser "Elf Tage in Berlin"

Drei Erzählstränge bauen sich hier im Vorfeld auf.

 

Der erste: um Arne, Mitte 30. Die Mutter ist mit einem neuen Mann – so einem Troubadour – Richtung Berlin verschwunden, als Arne kaum ein Jahr war. Aufgewachsen ist er beim Vater Torsten und Onkel Lennart und Tante Polly in K. in Schweden. Nach einem Badeunfall mit 15 tickt bei ihm vielleicht alles etwas langsamer:

 

Er hält mich wirklich für total bescheuert, dachte Arne insgeheim. Aber das bin ich gar nicht, ich habe vielleicht nicht das beste Gedächtnis, und ich bin weiß Gott nicht der Schnellste, aber ich begreife mehr, als Onkel Lennart und Tante Polly ahnen. (S. 44)

 

Kurz vor seinem Tod hat der Vater eine Mission für Arne: Er soll seine Mutter in Berlin finden. Dabei spielt auch ein verschlossenes Kästchen, das er ihm mitgibt, eine Rolle.

 

Der zweite: um Anatolis Litvinas, einem etwas verrückten Professor, gerade entlassen aus einer Nervenheilanstalt, der sich insbesondere mit Hypnose und Zeitreisen beschäftigt.

  

Der dritte: um Beate Bittner. Jüngste und einzige Tochter nach fünf Söhnen, und irgendwie anders als ihre Brüder, kränklich, schwächlich. Bestärkt von ihrer Familie und ihrem Vater, der Pfarrer in der Kirche des reinen Lebens ist, nimmt sie sich als „ein Unglück“ wahr, Halt bieten ihr jedoch der Großvater und seine Bilder…


Mieze-Meinung

Håkan Nesser erzählt – übersetzt aus dem Schwedischen von Paul Berf – wunderbar leichtfüßig. Es entwickelt sich eine ganz und gar charmante Geschichte, die sehr von den Hauptfiguren Beate und Arne lebt. Beide haben sich trotz ihrer nicht ganz so glücklichen Kindheit und ihrer Handicaps eine humorige und entspannte Sichtweise auf ihre Umgebung bewahrt. Mit Professor Litvinas steuert Nesser eine etwas mystische Fantasynote bei.

 

So entsteht ein unterhaltsamer, aber dennoch ernst zu nehmender Roman, weil er gerade das Augenmerk auf die vermeintlich Schwachen lenkt – es geht um Vertrauen, um Loslassen, um Schicksal und um Bestimmung.

 

„Für jeden, für dich und für mich und für alle Menschen. Es kann nicht sein, dass wir bloß hier auf der Erde landen, eine Zeitlang leben und dann sterben. Es muss noch etwas geben … ja, noch etwas mehr.“ (S. 263)

 

Was dann tatsächlich in den elf Tagen vor Ostern im April 2015 in Berlin passiert und wie die Handlungen und Figuren verwoben werden, will ich gar nicht verraten: lest es selbst unbedingt nach.

 

P. S. Verwunderter Nachtrag: Arne trägt im Roman gelbe Schuhe – die er liebt und auf die er stolz ist und die ihn – na ja – auch irgendwie beschützen. Warum sind dann auf dem Buchcover rote Chucks 😉?


Aus der Klappe was zum Autor:  Håkan Nesser, geboren 1950, ist einer der beliebtesten Schriftsteller Schwedens. Für seine Kriminalromane erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, sie sind in über zwanzig Sprachen übersetzt und mehrmals erfolgreich verfilmt worden. Håkan Nesser lebt abwechselnd in Stockholm und auf Gotland.


Håkan Nesser, Elf Tage in Berlin, Aus dem Schwedischen von Paul Berf, btb Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, München 2015, 381 Seiten, ISBN 978 3 442 77189 9

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Kommentare: 1
  • #1

    Räumchen (Mittwoch, 09 Februar 2022 21:27)

    Sehr liebevoll bewertet. Wenn sich das Buch nur halb so gut liest, wie es Mieze hier vorstellt, dann möchte ich es bitte haben !!