Noah Klieger (1925-2018) überlebte Auschwitz zwanzigjährig. Takis Würger lernte ihn 2017 kennen - als Klieger, 92jährig, an einem Günzburger Gymnasium über die Shoah sprach – und durfte ihn dann Anfang 2018 in Tel Aviv befragen. Auf diesen Interviews beruht das Buch - es sind die Erinnerungen Noah Kliegers. Das Buch ist kein Roman, es liest sich berichtshaft, dokumentarisch, biografisch. Takis Würger betont selbst in seinem Nachwort, er schreibe hier in der Tradition der „Oral History“. „Diese Art der Geschichtswissenschaft erlaubt Zeitzeugen, die Geschichte so zu erzählen, wie sie sie erinnern“ (S. 157).
Takis Würger gliedert sein Buch in vier Teile. Die ersten beiden behandeln Noahs Leben unter den Nazis bis zu seiner Befreiung aus dem Konzentrationslager und Rückkehr nach Belgien. Teil 3 - für mich neu und aufschlussreich - dreht sich um Noahs Reise auf der President Warfield, mit der jüdische Auswanderer nach Kriegsende über das Mittelmeer nach Palästina verschifft wurden.
Zum Gesamtkonzept des Buches, in dem in Teil 4 schließlich noch anskizziert wird, wie es den Akteur*innen des Buches im Weiteren erging, passen sicher die nüchterne Sprache und der knackige Schreibstil des Autors. Der Inhalt trifft mich dadurch fast noch härter als anderswo gelesen.
Manches, wünschte ich, wäre auserzählter, wird nur kurz angeleuchtet. Zuweilen stolpere ich beim Lesen über dahingeworfene Aussagen und, wie schon bei „Stella“ und auch bei „Der Club“, stören mich sprachliche Unebenheiten.
Was bleiben MUSS: ein weiteres wichtiges, erschütterndes Zeugnis. Ein Erinnerungsbuch - „…von einem, der überlebte“-, das für Millionen Menschen steht, die ermordet wurden, die nicht überlebten, die nicht mehr davon erzählen konnten. Und es sind nur noch wenige, die erzählen können! Zur immer wiederkehrenden Pflicht und Routine sollte es werden, diese Lebensgeschichten zu lesen, sie sich anzuschauen, sie zu hören – die mediale Auswahl ist da.
Mit einem Nachwort von Takis Würger, Alice Krieger und Sharon Kangisser Cohen.
Noah Klieger, 1925 in Straßburg geboren und 2018 in Tel Aviv gestorben, wurde nach der Staatsgründung einer der bekanntesten Sportjournalisten Israels und hielt als Zeitzeuge in vielen Ländern und Sprachräumen die Erinnerung an Shoah und Alija Bet lebendig.
Takis Würger, 1985 geboren, hat an der Henri-Nannen-Journalistenschule gelernt und Ideengeschichte in Cambridge studiert, das Studium aber abgebrochen. Vor diesem Buch hat er die Romana Der Club und Stella geschrieben.
Alice Krieger, 1967 geboren, ist die Nichte Noah Kliegers und hat ihn auf vielen seiner Reisen begleitet, auf denen er als Zeitzeuge von Auschwitz berichtete. Sie ist Noah Kliegers letzte Blutsverwandte.
Sharon Kangisser Cohen ist Chefredakteurin der Yad Vashem Studies und Direktorin des Eli und Diana Zborowski Centre for the Study of the Aftermath of the Holocaust am International Institute for Holocaust Research in Yad Vashem.
Takis Würger, Noah, Von einem, der überlebte, Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, 2. Auflage, München 2020, 184 Seiten, ISBN 978 3 328 60167 8
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