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Jenny Erpenbeck "Gehen, ging, gegangen"


Jenny Erpenbeck berichtet in „Gehen, ging, gegangen“ von einem Mann, der sich einer Gruppe von Geflüchteten annähert. Das ist Richard, ein Professor für Alte Sprachen, gerade emeritiert. Er lebt allein in einem Haus am See in Berlin. Seine Frau Christel ist schon vor ein paar Jahren verstorben. Er hat Freunde. Er hat seine Routinen, seine Gewohnheiten. Sein Denken. Sein Terrain. 

 

Richard beginnt die afrikanischen Männer, die er zuerst in ihrem Camp am Oranienplatz beobachtet und die dann in seiner Nähe untergebracht werden, „nur aus Interesse“ (S. 55) zu interviewen. Einfache Fragen hat er sich überlegt. Schnell jedoch ist er mittendrin in ihren Schicksalen. 

Jenny Erpenbeck "Gehen, ging, gegangen"
Jenny Erpenbeck "Gehen, ging, gegangen"

Ein Mensch lernt Menschen kennen. Hinter ihnen liegen Wege, die kein Mensch geht, wenn es ihm da, wo er herkommt, gut geht. Das Meer trägt viele Tote in sich. Einen auch der See an des Professors Haus, den Richard seitdem meidet. Meiden wir das Meer deshalb?

 

Mit einer vereinnahmenden Sanftmut in der Sprache und im Erzählfluss entwickelt Jenny Erpenbeck – basierend auf einer sehr persönlichen Entscheidung ihrer Hauptfigur - einen differenzierten Blick auf die Vielschichtigkeit und Komplexität der aktuellen Migration nach Europa.

 

Der Autorin Botschaft ist, den Menschen hinter dem Migranten und das Glück, den Zufall zu sehen, dass wir momentan an einem sicheren Platz leben und uns nicht mit Fluchtgedanken auseinandersetzen müssen.

 

Jenny Erpenbeck wurde gerade mit dem International Booker Prize für ihren aktuellen Roman „Kairos“ ausgezeichnet. Herzlichen Glückwunsch. Ich kenne „Kairos“ nicht, ich kann die Verleihung jedoch aus der Lektüre dieses Romans heraus absolut verstehen.


Jenny Erpenbeck wurde 1967 in Berlin geboren. 1999 debütierte sie mit der Novelle "Geschichte vom alten Kind", der weitere literarische Veröffentlichungen folgten, darunter Romane, Erzählungen und Theaterstücke. Ihr zuletzt erschienener Roman "Aller Tage Abend" wurde von Lesern und Kritik gleichsam gefeiert und vielfach ausgezeichnet, unter anderem 2013 mit dem Joseph-Breitbach-Preis und 2015 mit dem Independent Foreign Fiction Prize. (aus der Buchklappe)


Jenny Erpenbeck, Gehen, ging, gegangen, Albrecht Knaus Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, 1. Auflage, München 2015, 351 Seiten, ISBN 978 3 8135 0370 8

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