Der Schweizer Autor Alex Capus hat mich mit seinem Roman „Das Leben ist gut“ überrascht und sehr überzeugt. Ist „Das Leben ist gut“ eine heute angesiedelte Geschichte, spielt sich „Susanna“ in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ab. Das waren Jahrzehnte mit großen technischen Umwälzungen, die Capus hier auch umfänglich darstellt. Orientierende Basis des Romans sind aber die Lebensdaten von Susanna Faesch (1844-1921), einer Schweizer Malerin, die nach Amerika auswanderte, dort die Bekanntschaft von Sitting Bull machte und als seine Assistentin fungierte. Wie spannend und reizvoll, mehr darüber zu erfahren.
Susanna ist zweifellos eine starke Figur, die den Roman trägt. Ich begegne ihr erstmals als Kind im Alter von fünf Jahren und begleite sie, bis sie fast fünfzig ist. Capus lässt sie schon früh eigene, unabhängige, manchmal auch abrupt wirkende Entscheidungen treffen - er präsentiert eine Frau, die „… sorgfältig darauf geachtet [hat], unabhängig zu bleiben und sich keinesfalls von Arbeitgebern oder anderen Schindern in Kettenhaft nehmen zu lassen …“ (S. 216) Ein Freigeist, erstaunlich emanzipiert und selbständig, wir sind immerhin noch gänzlich im 19. Jahrhundert.
Capus‘ Schreibstil ist angenehm flüssig. Die einzelnen Kapitel umfassen Lebensabschnitte der Familie Faesch und sind gespickt mit Ereignissen und Brüchen, die dem Geschehen Spritzigkeit und den feinen Humor geben. Dieser hat mich schon bei „Das Leben ist gut“ so vereinnahmt, ist aber hier bei „Susanna“ im Verlauf immer weniger spürbar.
Gleichermaßen lässt meine Verbindung zur Geschichte im letzten Drittel nach, da sich abzeichnet, dass Sitting Bull erst spät, sehr spät eine Rolle spielen wird. Die Aura der Begegnung ist dann schließlich da, doch da ist der Roman zu Ende.
Wenn er eventuell als erster Teil einer „Susanna“-Reihe gedacht ist, hätte ich das als Leserin schon gerne gewusst. So fühle ich mich ein bisschen (in der Prärie) verloren und stehengelassen.
Wie schade.
Alex Capus, 1961 in der Normandie geboren, lebt in Olten, Schweiz. Er schreibt Romane, Kurzgeschichten und Reportagen. Für sein literarisches Schaffen wurde er u. a. mit dem Solothurner Kunstpreise 2020 ausgezeichnet.
Alex Capus, Susanna, dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München 2024, Lizenzausgabe mit Genehmigung der Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG München, 286 Seiten, ISBN 978 3 423 14891 7
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