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Gabriel García Márquez "Wir sehen uns im August"


Hier handelt es sich um einen posthum veröffentlichten Roman. Ich bin zwiegespalten. Wollte der oder die Autor*in, dass er erscheint? Oft wissen wir es nicht ausdrücklich. Gabriel García Márquez (1927-2014) allerdings hat sich zu Lebzeiten gegen eine Herausgabe ausgesprochen, wies sogar die Vernichtung der Manuskripte an. Ich würde nicht gegen den Willen eines Menschen handeln. Und doch. Darf man Werke so bekannter Persönlichkeiten wie des Literatur-Nobelpreisträgers Márquez zerstören oder zurückhalten oder sind sie vielmehr schon Kulturgut?


Gabriel García Márquez "Wir sehen uns im August"
Gabriel García Márquez "Wir sehen uns im August"

Nichtsdestotrotz: Toller Titel und eben solche Romanidee: Sie heißt wie die zweite Ehefrau von Johann Sebastian Bach: Ana Magdalena Bach, ist Mitte 40 und reist jedes Jahr am 16. August (also heute 😊) auf eine (karibische) Insel, um am Grab ihrer Mutter Blumen – Gladiolen - niederzulegen. Sie übernachtet immer im selben Hotel. In einem Jahr an einem solchen Abend begegnet sie an der Hotelbar einem Mann, kommt ins Gespräch, schleppt ihn ab. Am Morgen ist er verschwunden und hinterlässt ihr zwanzig Dollar...

 

Meine Meinung: Ich spüre definitiv und rasch die Sinnlichkeit und die Atmosphäre des Settings, die mich verzaubern. Mit wenigen Seiten und Strichen fängt Márquez mich ein. Jedoch fällt nach „den zwanzig Dollar“ der Roman ab.  Ana verändert sich und wird selbstbezogener. Um diese Entwicklung zu verstehen, hätte ich gerne mehr über Anas Familie erfahren, über ihren Mann, Sohn und Tochter (die ins Kloster gehen will, warum?) und die Mutter. Warum heißt Ana wie Bachs zweite Frau? Für mich eine brennende Frage, und überhaupt, Musik und Literatur nehmen Raum ein, wirken aber für mich größtenteils nur wie Staffage.

 

Fortgang und Ende des Kurzromans lassen mich mithin unzufrieden zurück.

 

Vielen Dank an den KiWi-Verlag für das Leseexemplar. Übersetzt aus dem Spanischen von Dagmar Ploetz. Kalenderblatt des Literaturkalenders 2024 aus dem Athesia Kalenderverlag.


Gabriel García Márquez, geboren 1927 in Aracataca, Kolumbien, arbeitete nach dem Jurastudium zunächst als Journalist. Seit der Veröffentlichung von "Hundert Jahre Einsamkeit" gilt er als einer der bedeutendsten und erfolgreichsten Schriftsteller der Welt. 1982 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. Gabriel García Márquez starb 2014 in Mexiko-Stadt.

 

Dagmar Ploetz, geboren 1946 in Herrsching, übersetzt seit 1983 u.a. Werke von Isabel Allende, Julián Ayesta, Rafael Chirbes, Manuel Puig und Mario Vargas Llosa. 2010 erschien von ihr "Gabriel García Márquez. Leben und Werk" bei Kiepenheuer & Witsch.


Gabriel García Marquez, Wir sehen uns im August, Roman, Aus dem Spanischen von Dagmar Ploetz, Verlag Kiepenheuer & Witsch, 1. Auflage, Köln 2024, 141 Seiten, ISBN 978 3 462 00642 1

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