· 

Caleb Azumah Nelson "Den Sommer im Ohr"


Wow, wie soll ich ES beschreiben? Aber eines solltet Ihr jetzt zu Beginn schon über dieses Buch wissen: Merken und lesen! Unbedingt! 

 

Also: Stephen erzählt und nimmt mich über zwei Jahre zwischen 2010 und 2012 mit in seine „Small worlds“ (so der Originaltitel) nach London, Peckham, als er zwischen 18 und 20 ist. Wie soll es weitergehen nach der Schule? Wer ist er und wer und mit wem wird er sein? 


Caleb Azumah Nelson "Den Sommer im Ohr"
Caleb Azumah Nelson "Den Sommer im Ohr"

Schnell spüre ich: Musik, Jazz, tanzen – werden unabdingbar sein. Wie eine Sinfonie baut Azumah Nelson seinen Roman in drei Teilen/Sätzen auf und arbeitet motivgleich Wiederholungen ein. Dazu schmettert er der nahezu völlig unbedarften Leserin=Hörerin, was Garage, Grime, RnB, HipHop betrifft, die Bandnamen und Songtitel (unbedingt dem Soundtrack folgen) um die Ohren…

 

Schnell spüre ich ebenso: Hier schreibt nicht nur einer mit einer großen Kenntnis über und Liebe zur Musik. Sondern einer mit ganz viel Zartheit und Gefühl für das Wort: Er erfasst den Moment bis hinein in einen einzelnen Satz; so wie Stephen oft die Worte fehlen, hat Azumah Nelson aber diese, um darüber zu schreiben. Ich zitiere nicht, lest selbst, entdeckt und genießt. Dank auch hier an die vortreffliche Übersetzung durch Nicolai von Schweder-Schreiner (nur über den deutschen Titel bin ich immer und immer wieder gestolpert).

 

Was ich erlebe: Stephen nimmt mich mit in seine „kleinen Welten“ innerhalb seiner Familie in Ghana und London, zwischen ihm und Freundin Del, zu seinen Freunden und seinen Arbeits- und Bandkollegen. Er sucht und schafft sich Räume, in denen der Rhythmus stimmt, in denen er frei sein darf oder sich zumindest frei fühlen kann. Viel zu wenige Räume, viel zu oft bedrohte. Aber es gibt ihn, es wird ihn geben, den Raum und den Rhythmus, für Stephen.

 

Und so erlebe ich auch, wie Caleb Azumah Nelson die großen Themen in diese, Stephens kleine Welten einwebt: Liebe und Nähe und Ferne, Schwarzsein und Gewalt und Ausgrenzung und Angst, Tod und Verlust und Abschied, Ankunft und Rückkehr, Herkunft und Identitätssuche…

 

Sorry, Ihr könnt es nur wie ich spüren und erleben durch Lesen.

  

Müsst Ihr!

 

Vielen Dank an den Kampa Verlag für das Rezensionsexemplar. Unbeauftragte, unbezahlte Werbung.


Im Buch waren leider keine Angaben über den Autor. Nachfolgend aus seinem ersten Roman "Freischwimmen":

 

Caleb Azumah Nelson, 1993 im Südosten von London geboren, ist Sohn ghanaischer Eltern, die bereits als Jugendliche nach Großbritannien kamen. Und in Südost-London lebt der Schriftsteller und Fotograf noch heute. Seine Erzählungen erschienen in Literaturzeitschriften wie Granta und Litro. 2020 war Caleb Azumah Nelson für den BBC National Short Story Prize nominiert. Die ersten Seiten seines Debütromans Freischwimmen schrieb er, als er noch in einem Apple Store arbeitete, frühmorgens vor 5 oder spätabends nach 23 Uhr, je nachdem, welche Schicht er gerade hatte. 2019 schmiss er den Job, um sich ganz auf seinen Roman zu konzentrieren, der von der englischen Presse hymnisch gefeiert wurde.


Caleb Azumah Nelson, Den Sommer im Ohr, Roman, Aus dem Englischen von Nicolai Schweder-Schreiner, Kampa Verlag AG, 2024, 304 Seiten, ISBN 978 3 311 10052 2

Kommentar schreiben

Kommentare: 0